500 Jahre Tyndale- Bibeldruck in Worms
2025
Im Jahr 2011 brachte der Cayman Islands Postal Service diese Weihnachts-Briefmarkenserien heraus. Sie war zugleich das 400-jährige Jubiläum der King-James-Bibel. Die fünfteilige Ausgabe widmete sich König James I., dem Monarchen, der die berühmteste englische Übersetzung der Bibel in Auftrag gab – eines der meistveröffentlichten Bücher der Welt.
* 75 Cent: zeigt ein Porträt von König James I.
* 25 Cent: zeigt das Titelblatt der King-James-Bibel mit den Aposteln Petrus und Paulus über dem zentralen Text, flankiert von Moses und Aaron. In den vier Ecken sind die Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes mit ihren symbolischen Tieren dargestellt.
*80 Cent: zeigt William Tyndale, der 1526 die erste englische Übersetzung des Neuen Testaments veröffentlichte. Er gilt als der „Vater der englischen Bibel“, wurde jedoch verhaftet, vor Gericht gestellt und schließlich zum Tode verurteilt.
* 1 Dollar: zeigt den Druck der King-James-Bibel.
* 1,60 Dollar: zeigt die Gruppe von 48 Gelehrten, die an der Übersetzung mitarbeiteten.
1526 veröffentlichte William Tyndale in Worms die erste englische Version des Neuen Testaments.
Ein kühler Morgen in Worms, anno 1526. Zwischen den engen Gassen klappern Pferdehufe auf Kopfsteinpflaster. In der Druckerei von Peter Schöffer dem Jüngeren herrscht hektische Betriebsamkeit. Der Geruch von Tinte und frisch gepresstem Papier liegt in der Luft. Auf den Setzkästen glitzern Bleilettern, die zu einem gefährlichen Text zusammengefügt werden: dem Neuen Testament – in englischer Sprache.
William Tyndale steht im Halbdunkel neben der Presse. Er weiß, was hier geschieht, könnte ihn das Leben kosten. „Das Wort Gottes soll jeder Bauer auf dem Feld verstehen“, hatte er einst trotzig gesagt. Nun werden seine Worte Wirklichkeit – Seite um Seite, gedruckt in Worms, fern der Kontrolle englischer Bischöfe.
Doch nicht alle sehen in ihm einen Reformer. Manche nennen ihn Ketzer, einen Unruhestifter wie Luther. Tyndale spürt den Schatten der Verfolger – von London über Köln bis hierher. Doch die Hoffnung treibt ihn an. Heimlich, verborgen in Fässern und Ballen, soll das Buch bald über den Rhein und die Nordsee nach England gelangen.
Jahre später. Antwerpen. Tyndale ist älter geworden, sein Blick entschlossener, aber auch müde vom ständigen Verstecken. Sein Name ist in England längst verhasst, der König hat ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Freunde warnen ihn, doch Tyndale bleibt: „Gottes Wort ist nicht aufzuhalten.“
1535. Die Stadt schläft, als fremde Schritte die Gassen von Antwerpen durchdringen. Verrat. Soldaten packen ihn, schleifen ihn fort. In Vilvorde bei Brüssel erwartet ihn das Urteil: Strang und Scheiterhaufen.
Als das Seil sich um seinen Hals schließt, ruft Tyndale noch mit letzter Kraft:
„Herr, öffne dem König von England die Augen!“
Seine Stimme verstummt – doch seine Worte überleben.
Das Neue Testament von Worms wird zur Grundlage der und prägt das Englisch der Moderne.
Und so erinnert man sich noch heute:
In Worms begann ein Buch zu sprechen, das niemand mehr zum Schweigen bringen konnte.
Peter Schöffer dem Jüngeren
In den engen Gassen von Worms, wo der Rhein ruhig vorbeizog und die Stadt zum geistigen Brennpunkt der Reformation wurde, lebte ein Mann, der nicht predigte, sondern druckte: Peter Schöffer der Jüngere.
Er war kein gewöhnlicher Buchdrucker. Als Sohn von Peter Schöffer dem Älteren – einem Weggefährten Gutenbergs – trug er das Erbe der Typografie in den Fingern. Doch Peter der Jüngere wollte mehr als nur Bibeln vervielfältigen. Er wollte Ideen verbreiten, Gedanken befreien – und das tat er mit Tinte und Metall.
Worms war für Schöffer nicht nur ein Wohnort, sondern ein Wirkungsort. Hier gründete er seine Druckerei und verwandelte die Stadt in ein Zentrum reformatorischer Literatur. Zwischen 1522 und 1531 entstanden über 90 Druckwerke, viele davon revolutionär. Er wagte sich an Musikdrucke, an politische Flugschriften und an die ersten protestantischen Bibeln – lange bevor Martin Luthers Übersetzung vollendet war.
Eines Tages erreichte ein Manuskript aus England die Werkstatt in Worms. Der Verfasser: William Tyndale, ein junger Theologe, der die Bibel ins Englische übersetzt hatte – gegen den Willen der Kirche. In England war Tyndale ein Geächteter, seine Werke verboten. Doch in Worms fand er einen Verbündeten.
Peter Schöffer erkannte die Bedeutung dieser Übersetzung. Heimlich, mit größter Sorgfalt, druckte er 1526 das erste vollständige Neue Testament in englischer Sprache. Es war ein riskantes Unterfangen – denn wer solche Texte druckte, stellte sich gegen Rom. Doch Schöffer war kein Feigling. Er war ein Mann der Überzeugung, der wusste, dass Worte Macht haben.
Die Tyndale-Bibel wurde nach England geschmuggelt, versteckt in Fässern und Stoffballen. Sie veränderte das Land – und kostete Tyndale später das Leben. Doch ohne Schöffers Mut und seine Druckkunst wäre diese Revolution der Sprache nie möglich gewesen.
Peter Schöffer der Jüngere starb 1547 in Basel. Doch in Worms, zwischen den Mauern, wo einst die Pressen ratterten, lebt seine Geschichte weiter. Nicht als Held auf einem Sockel, sondern als stiller Befreier der Gedanken – ein Mann, der mit Lettern kämpfte, wo andere mit Schwertern drohten.
Worms: Tyndale Bibel